Ein Gastbeitrag von Iris Busch
Digitale Barrierefreiheit geht uns alle an. Es geht darum, digitale Produkte und Inhalte für alle zugänglich zu machen, unabhängig von ihren Fähigkeiten. Für Menschen mit Sehbehinderungen, die auf gute Kontraste angewiesen sind. Menschen, die eine Website mit der Tastatur bedienen müssen – die Gründe für barrierefreie Gestaltung sind vielfältig. Im Beitrag von Iris erfährst du, warum digitale Barrierefreiheit uns alle betrifft und wie du bereits mit einigen einfachen Maßnahmen schon viel erreichen und deine Website barrierefreier gestalten kannst.
Inhalt
„Mach doch digitale Barrierefreiheit.“ Vier Wörter eines Freundes auf die Frage, worauf ich mich nach meinem Studium spezialisieren soll. Digitale Barrierefreiheit. Barrierefreiheit kannte ich. Klar. Ich komme ursprünglich aus dem medizinischen Bereich. Im Rettungsdienst und als Ergotherapeutin habe ich viele Menschen sowohl mit akuten und vorübergehenden als auch mit dauerhaften Beeinträchtigungen kennengelernt. Viele Dinge mussten angepasst werden.
Aber digitale Barrierefreiheit? Sofort habe ich mich eingelesen und dann auch schnell die ersten Fortbildungen gemacht. Und es passt! Für die digitale Barrierefreiheit kann ich meine früheren Erfahrungen ideal mit meinem Studium im digitalen Bereich kombinieren. Somit wurde die digitale Barrierefreiheit blitzschnell nicht nur zu meinem Thema, sondern auch zu meinem Anliegen: Digitale Angebote sollen für alle Menschen nutzbar sein.
Digitale Barrierefreiheit – hilfreich für alle
Interessant ist dabei, dass barrierefreie digitale Angebote nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigungen bedeutsam sind: Digitale Barrierefreiheit ist für 10 Prozent der Menschen unverzichtbar, für 30 Prozent notwendig und für 100 Prozent hilfreich (Quelle: Aktion Mensch).
Digitale Barrierefreiheit – Ein Einblick
Bei der digitalen Barrierefreiheit geht es also darum, allen Menschen einen Zugang zu digitalen Angeboten zu ermöglichen, auch wenn sie Beeinträchtigungen haben.
Oft merke ich in Gesprächen, dass die digitale Barrierefreiheit noch immer nicht sehr bekannt ist. Das ist allerdings berufs- bzw. branchenabhängig. Einige haben schon davon gehört, dass Farbkontraste auf Webseiten eine Bedeutung haben. Und sollte dies auch unbekannt sein, ist es eine gute Möglichkeit, einen Aspekt der digitalen Barrierefreiheit zu erklären.
Warum der Farbkontrast so entscheidend ist
Aktuell gibt es viele Websites, auf denen der Farbkontrast zwischen der Hintergrundfarbe und der Schriftfarbe nicht ausreichend ist. Hier siehst du zwei Beispiele von einem guten Farbkontrast und einem schlechten Farbkontrast:
Der Farbkontrast auf einer Website sollte bei einer kleinen Schrift 4,5:1 betragen. Ab 24 px Schriftgröße ist ein Kontrastverhältnis von 3:1 ausreichend. Ein guter Farbkontrast ist wichtig für Menschen, die eine Sehschwäche haben. Ganz ohne eine Beeinträchtigung ist ein gutes Kontrastverhältnis aber auch hilfreich für jeden, der z. B. mit seinem Smartphone in der Sonne ist. Unter dem Lichteinfluss können Websites mit einem guten Kontrastverhältnis besser gelesen werden als mit einem schlechten. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, warum die digitale Barrierefreiheit für 100 Prozent der Menschen hilfreich ist.
Tools zur Überprüfung des Farbkontrasts
Wenn du testen möchtest, ob die Farben auf deiner Website oder anderen digitalen Anwendungen ein gutes Kontrastverhältnis haben, empfehle ich dir den Farbkontrast-Checker von TPGi. Suchst du nach Farben, die einen guten Kontrast zueinander haben? Dann kann ich dir Color Safe empfehlen. Das Tool ist grundsätzlich selbsterklärend. Ich habe dennoch das kleine Video „Barrierefreie Farbkombinationen: Toolvorstellung Color Safe“ dazu aufgenommen. Das Barrierefreiheitstool von Adobe Color ist ebenfalls empfehlenswert.
Eine klare Struktur ein wichtiger Aspekt für Barrierefreiheit
Für Menschen, die erblindet und zur Wahrnehmung einer Website auf einen Screenreader angewiesen sind, ist es notwendig, dass die Website eine gute Seitenstruktur hat. Dazu gehört unter anderem, dass Überschriften und Listen auch als solche formatiert werden. Dies erleichtert die Navigation auf der Website. Überschriften nur einfach größer zu schreiben oder zu unterstreichen, reicht also nicht.
Motorische Einschränkungen führen teilweise dazu, dass die Computermaus nicht bedient werden kann. Deshalb ist es wichtig, eine Website mit der Tastatur bedienen zu können.
Weitere wichtige Aspekte für die digitale Barrierefreiheit
Und kennst du auf Social Media die Reels? Die in einer unfassbar schnellen Abfolge irgendetwas zeigen, was man nur erahnen kann? Teilweise mit Glitzer, Blitzen, etc.? – Diese können bei Menschen mit einer fotosensitiven Epilepsie zu epileptischen Anfällen führen. Menschen mit der fotosensitiven Epilepsie reagieren besonders empfindlich auf Lichtreize. Beim Testen von Websites ist es deshalb ein Kriterium, dass Effekte nicht mehr als 3 x pro Sekunde auftreten dürfen.
Um bei den Videos zu bleiben: Für Menschen mit einer Beeinträchtigung des Hörens sind Untertitel bei Videos wichtig. Dies ist aber auch wieder ein Beispiel, dass digitale Barrierefreiheit hilfreich für alle ist. Wer hat nicht schon mal die Untertitel genutzt, auch ohne Hörbeeinträchtigung?
Für die Erstellung der Untertitel gibt es Standards. So sollten die einzelnen Segmente beispielsweise nur 1–2 Zeilen umfassen. „Das Erste“ hat dazu eine gute Übersicht für die richtige Erstellung von Untertiteln veröffentlicht.
Meine Beispiele beziehen sich auf Websites und Social Media, um einen kleinen Einblick in das weite Feld der digitalen Barrierefreiheit zu geben. Es sind nur Auszüge. So umfasst zum Beispiel eine Website-Prüfung einen großen Katalog von Prüfkriterien nach unterschiedlichen Richtlinien.
Die digitale Barrierefreiheit bezieht sich jedoch nicht nur auf Websites und Social Media, sondern noch auf viel mehr, z. B. auch auf Dokumente, Apps und Selbstbedienungsterminals. Eine Auflistung, wobei an digitale Barrierefreiheit gedacht werden muss, ist in den FAQ zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz aufgelistet (Link s. unten).
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Ungefähr 66 von 100 großen deutschen Webshops sind aktuell nicht barrierefrei. Dies hat eine Untersuchung von Google und der Aktion Mensch ergeben. Hier setzt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz an, welches am 28. Juni 2025 in Kraft tritt. Es verpflichtet Unternehmen dazu, bestimmte Produkte und Dienstleistungen in barrierefreier Form anzubieten, wenn diese von Verbraucher*innen genutzt werden.
Damit bezieht sich das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz auf den sog. B2C – Bereich (Unternehmen an Verbraucher/Endkunden). Der Online-Handel ist ein großer Bereich, der mit dem Gesetz barrierefrei werden soll.
Wenn du mehr über das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wissen möchtest, empfehle ich dir dieses Video, in dem dir das Gesetz gut verständlich erklärt wird. Und auf der Seite der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit findest du u. a. einen großen FAQ-Bereich zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz.
Digitale Barrierefreiheit als Entscheidung – Ein Fazit
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz regelt, welche digitalen Angebote barrierefrei sein müssen. Und was ist mit den Websites, Apps, Social-Media-Kanälen etc., für die das Gesetz nicht greift? Auch für diese ist es sinnvoll, barrierefrei zu sein.
Ende des Jahres 2023 haben ca. 7,9 Millionen Schwerbehinderte in Deutschland gelebt. Insbesondere Schwerbehinderte nutzen das Internet überdurchschnittlich häufig. Mit digitaler Barrierefreiheit wird niemand von digitalen Angeboten ausgeschlossen.
Und aus Sicht der Unternehmer*innen wird die Reichweite erhöht. – Sowohl dadurch, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen erreicht werden als auch dadurch, dass sich die digitale Barrierefreiheit positiv auf die Suchmaschinenoptimierung (SEO) auswirkt.
Hinzu kommt, dass z. B. barrierefreie Websites insgesamt leichter bedienbar sind, was positiv für alle Kund*innen ist.
Ein aus meiner Sicht weiterer wichtiger Punkt: Wertschätzung.
Ist deine Website schon barrierefrei?
Über die Autorin: Iris Busch
2024 habe ich die Agentur MeerDialog gegründet.
MeerDialog steht dabei für meinen Standort auf der Insel Föhr, aber auch für „mehr“. Für mehr Dialog. Dafür, mehr Menschen zu erreichen.
Bei meiner Arbeit prüfe ich in erster Linie Websites auf Barrierefreiheit und berate rund um die digitale Barrierefreiheit.
Solange ich denken kann, habe ich immer Kontakt zu Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen gehabt – privat und beruflich. Es ist mir ein Anliegen, meinen Beitrag dafür zu leisten, dass das Internet zugänglich für alle wird.
Bei der digitalen Barrierefreiheit kombiniere ich meine Erfahrungen als Rettungssanitäterin und Ergotherapeutin mit meinem Studium Bildung und Medien: eEducation (M. A.). Dazu habe ich inzwischen viele Fortbildungen zur digitalen Barrierefreiheit absolviert.
Du findest Iris auf ihrer Website MeerDialog. Oder bei LinkedIn.
PS: Wenn du Unterstützung dabei brauchst, deine Brandingfarben zu finden, klick hier „Welche Farben für dein Corporate Design?“