Solo-selbstständig zu sein, klingt nach absoluter Freiheit. Das ist es auch. Im Grunde. Aber auch Freiheit hat eben ihren Preis. Als nachhaltige Grafikdesignerin jongliere ich mehr oder weniger jeden Tag zwischen Kreativität, Organisation, Planung, Recherche, Buchhaltung, Netzwerken und manches Andere. Dafür brauche ich viel Grüntee. Und morgens zwei Pötte Kaffee. An den meisten Tagen bin ich wunderbar im Flow. Sie machen mich happy. Aber es gibt eben auch die anderen Tage, die mich zuweilen an meine Grenzen bringen.
Inhalt
Solo-Selbstständigkeit? Deutschland ist ein Angestelltenland.
Warum? Keine Ahnung. Wirklich happy war ich zu meinen Angestelltenzeiten selten. Und wenn, dann nur phasenweise, wenn ich eigenständig und relativ frei arbeiten konnte. Aber ich habe stets mein Bestes gegeben. Mit Ausnahme meines letzten Jobs hielt ich es im Schnitt 4-5 Jahre aus. Dann war mir so langweilig, dass ich mich aufgemacht habe zu neuen Ufern.
Bist du auch Solo-Selbstständig?
Wir fallen leider oft durchs Raster. Werden als Einzelkämpfer betrachtet. Und, ja, kämpfen müssen viele von uns. In der Tat. Und auch ich habe schon den einen oder anderen Kampf ausgefochten. – Kann es sein, dass wir oft als Unternehmer:innen zweiter Klasse betrachtet werden? Dieses Gefühl drängt sich mir immer mal wieder auf.
„Wie, du hast keine Mitarbeiter? Nur ein Homeoffice? Oh ha! Ohne Mitarbeiter und cooles Büro in einer hippen Großstadt, das ist doch nichts Richtiges, oder?“ Ja, solche Sätze bekommt mal schon mal zu hören. Oder die andere Variante: Du bist doch zu Hause, du hast doch Zeit und kannst … ja, klar. Meine Arbeit erledigt sich von alleine. *rollmitdenAugen*

Wir Solos sind vollwertige Selbstständige!
„Erfolg misst sich nicht an Mitarbeiter:innen und Bürofläche. Wir leisten Wertvolles – egal ob im Büro, im Homeoffice oder bei Kund:innen. Viele Menschen und auch große Unternehmen brauchen unser Know-how. Ohne Solo-Selbstständige würde es in der Wirtschaft ordentlich knirschen.“
(Sascha Theobald)
Aber wie ist es wirklich, solo-selbstständig zu sein? Das fragt Sascha Theobald in seiner > Web-Parade.
Ein Blick hinter die Kulissen meiner „grünen“ Solo-Selbstständigkeit
Wie sieht mein Alltag also aus? Was ist meine Perspektive, meine Erlebnisse, Erkenntnisse, Herausforderungen und Wünsche. Ich will ganz von vorn anfangen. Meinem Start in die Selbstständigkeit.
Der Anfang: Warum ich mich selbstständig gemacht habe
Vor 21 Jahren am 1. Dezember 2003 habe ich gegründet. Es war ein lange gehegter Wunsch.
Die Festanstellung in einem Fachverlag fühlte sich für mich nach einigen Jahren in unterschiedlichen Marketing-Abteilungen ein bisschen wie ein Käfig an. Kaum Platz für eigene Ideen, wenig sinnvolle, erfüllende Arbeit. Zu viel Routine, das ewig Gleiche. Der Wunsch nach mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung und vor allem nach einer Tätigkeit, die zu meinen Werten und meinen Wünschen passt, wuchs.
Ich wollte kreativ sein, Ideen umsetzen. Nachhaltig arbeiten und Kunden unterstützen, die etwas bewegen wollen. Kleinunternehmer:innen mit meiner Expertise weiterbringen. Also habe ich den Sprung ins kalte Wasser der Selbstständigkeit gewagt. Ohne Sicherheitsnetz, aber mit einer Vision. Ich träumte von einem großartigen Start.
Voller Vorfreude ging ich los. Das war jedoch ziemlich naiv. 🙄 Die Realität holte mich schnell ein. Es war alles viel schwerer, als ich gedacht hatte. Vor allem die Kundengewinnung. Zumal Kunden gewinnen, hieß damals noch: Kaltakquise. Es hat mich unglaublich viel Überwindung gekostet, musste so oft aus meiner Komfortzone raus. Eine schwierige, anstrengende Zeit.
Der Wendepunkt: Es läuft. Endlich. Richtig gut.
Aber dann, ein paar Monate später, kamen die ersten Kunden! Direct-Mailings, Anzeigen und Telefonate zeigten Wirkung. Ich war stolz wie Bolle. Ein unbeschreibliches Gefühl! Und 2006 dann der Wendepunkt. Das Internet wurde erwachsen. Yeah! Und ich entdeckte XING. Kundengewinnung wurde plötzlich so leicht. Ich war sehr aktiv in Gruppen. Gab gerne und großzügig mein Wissen weiter. Das kam an. Und ich gründete zwei Gruppen: Nachhaltige Werbung und Co-moderierte die „Ganzheitlichen Unternehmerinnen“.
Es gab schöne Projekte. Kleine und große Erfolge. Ein paar Veröffentlichungen. Dann veränderte sich XING und die anderen Social-Media-Plattformen rückten ins Blickfeld. Aber die schönen und guten XING-Zeiten waren vorbei. Ich probierte so einiges. Aber alles war kein Vergleich zu XING. Dank meiner Website und Blog sowie immer wieder Empfehlungen, blieb mein Business dennoch relativ stabil.
Ein weiterer Wendepunkt: aus 4plus-Marketingservice wird WILDPEPEPRMINT-DESIGN
2014: Es war Zeit für einen Neustart. Ich verabschiede mich von „4plus-marketingservice“ und nenne mein Business um, in: „WILDPEPPERMINT-DESIGN“. Streiche die Marketingberatung aus meinem Portfolio, weil es mich schon länger nicht mehr glücklich machte. (Das Kfw-Gründer-Coaching hatte ich bereits 2012 aufgegeben.)
Stattdessen konzentriere ich mich voll auf Grafikdesign – mit dem Fokus Nachhaltigkeit. 🌱 Die nächsten Jahre laufen gut. Ich bin zufrieden. Doch dann, es wird ruhiger. Die Facebook-Followerzahl wächst kaum noch. Mein Umsatz sinkt auch – nicht dramatisch, aber er tut es.
Und dann kommt 2020 Corona um die Ecke. Die bisher größte und einschneidendste Herausforderung für mich. Plötzlich steht alles still. Umsätze brechen ein. Grafikdesign? Wer braucht das jetzt noch? Mit staatlicher Hilfe und einer großen Portion Machen und „Durchwurschteln“ schaffe ich es, mich über Wasser zu halten. Aber die guten Zeiten? Offenbar vorbei.
2022: ein neuer Kunde gibt mir einen Tipp – LinkedIn! Nach einigen Anlaufschwierigkeiten, wächst mein Netzwerk inzwischen gesund und kontinuierlich. Zwischendurch habe ich mein Angebot noch einige Male optimiert und die Website zweimal komplett neu aufgesetzt.
Und heute? Ich bin wieder auf dem Umsatz-Niveau von „Vor-Corona“.
Das war mein Weg in Kurzform. (Die lange, ausführliche Version wird es spätestens zu meinem 25-jährigen als Buch geben. – Das ist der Plan.)
Die Realität: Höhen, Tiefen und alles Mögliche dazwischen
Was ich an der Selbstständigkeit liebe …
- Mein Business nach meinen Regeln zu gestalten. Frei zu entscheiden. Nachhaltigkeit zu leben. Zu motivieren, inspirieren.
- Freude daran etwas Neues zu erschaffen. Die unterschiedlichen Herausfordeurngen und Abwechslung.
- Projekte, anzunehmen, die mir so richtig Spaß machen. Am liebsten für umweltbewusste Unternehmer:innen. Gründer:innen, die etwas verändern möchten. Mit meinem Zutun. Mit nachhaltigem Branding und auch ressourcenschonendem Webdesign – in Kooperation.
- Der direkte Kontakt zu Kunden. Es ist einfach großartig, mit Menschen zu arbeiten, die dieselben Werte teilen wie ich. Und für ihr Business brennen! Die sich von meiner Begeisterung anstecken lassen.
- Die Zusammenarbeit in kleinen, freien Teams. Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wertschätzend und inspirierend!

Was herausfordernd ist
- Quasi eine eierlegende Wollmilchsau zu sein: Designerin, Texterin, Marketingleiterin, Büromanagerin, Buchhalterin und IT-Profi in einer Person. Andererseits, die Vielfalt an sich liebe ich. Auf Buchhaltung und IT-Kram könnte ich jedoch gut verzichten.
- Die ständige Verantwortung. Kein Team, das Entscheidungen mitträgt. Das ist manchmal ein Druck, der ganz schön viel sein kann.
- Kundenakquise – ja, auch nach 21 Jahren bleibt das ein Dauerthema. Da sich alles in Rekordtempo verändert. Mal ist dieses Marketingtool das Beste. Dann jenes. Früher werblicher und verkäuferischer. Heute ist Individualität, Authentizität und anderes gefragt.
Man muss immer dran bleiben am Puls der Zeit. Keine wichtigen Trends verpassen. Das ist manchmal recht anstrengend und stressig. Vor allem wenn es gefühlt nur noch um Marketing geht …
Was ich gelernt habe: Erkenntnisse aus 21 Jahren Solo-Selbstständigkeit
- Fokus ist Gold wert. Wer zu viele Projekte gleichzeitig jongliert, verliert irgendwann den Überblick. Lieber ein Projekt perfekt umsetzen, als drei halbherzig. Deshalb habe ich mich dieses Jahr auch dazu entschlossen, nur ein Projekt durchzuziehen: Meinen Podcast zu starten.
- Netzwerken macht den Unterschied. Ob bei LinkedIn, in kreativen Gruppen oder im echten Leben – der Austausch mit anderen Solo-Selbstständigen hat mich oft inspiriert und vorangebracht. Und tut es noch.
- Pausen und Me-Time sind wichtig. Vielleicht klingt es ein wenig paradox. Wenn ich im Flow bin und dann manchmal die Zeit vergesse, Pausen sind super wichtig. Sie müssen sein. Gut, dass ich meinen Hund, mein Feelgood-Manager, habe. Es sorgt dafür, dass ich regelmäßig abschalte. Den Kopf wieder frei kriege, fit bleibe. Und der Bonus: Beim Draußen gehen habe ich oft die besten Ideen! Win-Win.
- Nicht noch einmal die Entwicklungen bzw. Auswirkungen und Trends unterschätzen. Ich sage nur: Corona. Da ich schon so lange Remote arbeite, habe ich den Hype in Sachen Online-Business völlig falsch eingeschätzt. Daran habe ich bis Anfang 2024 geknabbert.
- Die Solo-Selbstständigkeit ist für mich genau das Richtige. Auch, wenn manche Hürde zu nehmen ist und nicht immer alles Eitel Sonnenschein ist.
- Ein festes Team, also Angestellte zu haben, ist nichts für mich. Zu viel Verantwortung. Aber mit kleinen fest-freien Teams, je nach Projekt und Kund:in. Individuell aus meinem Netzwerk zusammengestellt, das liebe ich. Das ist unglaublich inspirirend und produktiv!

Kann ich es empfehlen sich selbstständig zu machen?
Hm, … das kommt drauf an. Pauschal kann ich das nicht sagen. Was du meiner Meinung nach unbedingt mitbringen solltest, außer viel Power, …
- die Freude daran, etwas Eigenes aufzubauen,
- einen guten Geschäftssinn,
- Ausdauer und Geduld und
- ein gutes Finanzpolster oder ein Förderprogramm für den Anfang
- den unbedingten Willen, es zu schaffen,
- flexibel, offen für Neues sein,
- keine Scheu vor Marketing und Akquise,
- Tiefs, Unsicherheiten aushalten können.
Natürlich sollte auch deine Geschäftsidee tragfähig sein.
Ob ich heute noch einmal gründen würde? Ja. Aus den genannten Gründen. Allerdings schon früher. Und, obwohl der Wettbewerb deutlich mehr geworden ist, vor allem durch die div. Online-Möglichkeiten und die KI, ich würde es wieder tun.
Wünsche für die Zukunft: Austausch, Sichtbarkeit, Nachhaltigkeit
Was ich mir wünsche? Noch mehr gegenseitige Unterstützung unter Solo-Selbstständigen. Ein Netzwerk, das uns trägt, auch wenn’s mal wackelt. Und mehr Sichtbarkeit für mein nachhaltiges Business – weil jedes kleine Projekt einen großen Unterschied machen kann. Jeder kleine Schritt zählt, auch im Design!
Fazit: Solo-Selbstständig zu sein ist Freiheit und Herausforderung zugleich
Solo-Selbstständig zu sein, ist für mich ein Lebensmodell. Eines mit Herausforderungen? Ja! Aber auch mit unglaublich viel Freiheit und Sinn. Es ist wie eine Reise, die mich immer wieder wachsen lässt. Die mich neugierig und offen hält.
Anpassung. Flexibilität und ständig Augen und Ohren offenhalten! Das braucht es.
Wie siehst du das? Bist du auch Solo-Selbstständig? Dann lass mir gerne einen Kommentar da. Herzlichen Dank!
Toller Einblick in Deine Reise, Heidrun. Bin schon gespannt auf Dein Jubiläumsbuch.
Den Spruch „Du bist doch Zuhause…“ kenne ich auch zur Genüge. Als ob wir nur rumsitzen und Däumchen drehen würden.
Dazu zählt gleichzeitig das Nicht-Akzeptieren von Arbeitszeiten, die nicht der Norm entsprechen.
Kundengewinnung finde ich auch mit am anspruchsvollsten. Gerade weil sich das Spiel gefühlt ständig ändert. Dabei wollen wir doch nur unserer kreativen Tätigkeit nachgehen.
Auf jeden Fall noch weiterhin viel Erfolg. So langsam scheinst Du ja schon Routine im Managen von Challenges zu haben. 😉
Hallo, liebe Rebecca,
ja, das Jubi-Buch … das muss noch etwas warten. Jetzt steht erstmal anderes auf dem Plan.
Spannend, dann geht es ja nicht nur mir so. Nicht-Selbstständige haben schon seltsame Vorstellungen. 😉
Oh ja, Kundengewinnung schwieriges Thema. Und es wird nicht leichter. Eher im Gegenteil.
Danke! 🙂